01.09.2023
Die Vermutungen darüber, was dereinst der Zweck der Kuhburg bei Wüsten Vahrnow war, scheinen sich bestätigt zu haben. Drei Tage lang lief hier ein gemeinsames Projekt des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologischem Landesmuseum (BLDAM) und der Universität Stettin unter Leitung von Professor Felix Biermann. Dabei wurden die Grundmauern der Ruine freigelegt, bei der es sich wohl wirklich um ein Jagdschloss gehandelt haben dürfte.
Nun soll die Ruine zum touristischen Anlaufpunkt gemacht werden – bei den archäologischen Grabungen handelte es sich um Vorbereitungen für dieses große Projekt. Geplant ist ein Rastplatz, zu dem jetzt gerade ein Zuweg vom Ort Wüsten Vahrnow aus errichtet wird. Hier verläuft auch die Strecke zwischen den Zentralen Archäologischen Orten (ZAO) Mellen und Seddin. „Die Ergebnisse unserer Forschungen werden informativ auf eine Tafel gebracht“, erklärt dazu Gordon Thalmann, Sachbereichsleiter Denkmalschutz beim Landkreis Prignitz.
Thalmann weiter: „Es handelt sich um ein Bau- und Bodendenkmal. Wir haben die Verpflichtung, es zu erhalten. Und die künftige Nutzung trägt zur Erhaltung bei.“ Die Errichtung des touristischen Punktes ist auch ein Leader-Förderprojekt.
Bei der Kuhburg handelt es sich um eine etwa vier Meter hohe Ruine eines massiven eckigen Feldsteinturms, die bei Wüsten Vahrnow mitten auf einem Acker bislang ohne Zuweg zwischen mehreren Bäumen steht. Jetzt wurden die Grundmauern freigelegt, wofür auch eine Eiche weichen musste.
Das Innere des Turms hat eine Grundfläche von etwa fünf mal fünf Metern, wie Gordon Thalmann erklärte. Die Mauern selbst sind einen guten Meter breit. In den Mauern wurden relativ weit unten Fensteröffnungen ausgemacht, während sich der Eingang zu der Anlage fünf Meter über der Erde befunden haben soll. Im Turminnern wird man künftig über eine noch zu errichtende Treppe auf ein Plattform gelangen, auf der man über die Turmmauern hinaus in die Weite schauen kann. An dieser Stelle soll auch die Informationstafel angebracht werden.
Bis zum einem kleinen Forschungsprojekt des Sachbereichs Denkmalschutz beim Landkreis Prignitz im Jahr 2020 wurde lange darüber gerätselt, welchen Zweck dieses Gebäude eigentlich hatte. Mittlerweile scheint klar, dass es sich um eine Turmburg handelt, die in der zweiten Hälfte des 13. Und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts genutzt wurde – möglicherweise als Jagdschloss für Adlige. Es handelt sich um eine ziemlich einmalige Anlage, wie Felix Biermann betonte. Parallelen gibt es zum Jagdhof Kölpin in der Uckermark, dessen Existenz als Jagdschloss aber auch schriftlich bestätigt ist.
Der Name „Kuhburg“ stammt daher, dass ursprünglich einmal der Sinn der Ruine als Wachanlage für Kühe vermutet worden war. Das darf als widerlegt gelten. Die „lauschige Jagdresidenz“ (Biermann) lässt sich auch daraus ableiten, dass in den drei Tagen der Grabung extrem viel Schlachtabfälle gefunden wurden, etwa Knochen von Geflügel und Schweinen, ein Schweinezahl und ein richtiger Hauer eines Keilers. Ein Überraschungsfund war ein Fischwirbel.
Es fand sich nicht nur einheimische Keramik, sondern auch Importware wie Siegburger Keramik, deren Anschaffung sich eigentlich nur Adlige leisten konnten. Münzfunde gab es auch – Brandenburgische Denare wurden freigelegt.
Die Anlage hatte eine Vorburg an der Nordseite. Im Obergeschoss gab es auch einen Kamin, und es gibt aufgrund der Dachzieglfunde Hinweise, dass es hier damals auch einmal gebrannt hat. Ebenfalls gefunden wurde ein rostiger Nagel. Jetzt begibnnt mit der Aufarbeitung der Funde aber die eigentliche zeitintensive Arbeit der Archäologen.
Wer genau Burgherr war, ist noch nicht restlos belegt. Das Gelände gehörte damals aber zur Terra Perleberg und stand damit unter der Herrschaft der Gänse zu Perleberg, einer Linie der Adelsfamilie, die es nur bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gab. Das würde auch zur Geschichte der Kuhburg passen, die nach jetzigem Forschungsstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und am Anfang des 14. Jahrhunderts über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahrhundert genutzt wurde.
Warum das Schloss dann nicht mehr genutzt wurde, dürfte verschiedene Ursachen gahbt haben. So gab es Mitte des 14. Jahrhunderts eine kleine Eiszeit, die eine Agrarkrise auslöste und in der 120 Dörfer in der Prignitz wüst gefallen sind, unter anderem wohl Vahrnow, das später als Wüsten Vahrnow wieder aufgebaut worden ist. Hinzu kam zur damaligen Zeit auch noch die große Pest-Epidemie.
Die archäologischen Erkundungen sind baubegleitende Maßnahmen. In knapp zwei Wochen findet dann die Bauanlaufberatung für das eigentliche Projekt statt, auf das sich auch Mike Laskewitz, Geschäftsführer des Tourismusverbands Prignitz, sehr freut. „Wenn alles umgesetzt ist, wird das ein Super-Anlaufpunkt sein“, sagt er, „hier wird ein Ort sein, wo man innehält und nachdenkt über die Geschichte.“ Und Gordon Thalmann: „Das hier ist die perfekte Verbindung von Natur und Geschichte.“
© Landkreis Prignitz